Steuernachlass beim behindertengerechten Umbau von Wohnraum als außergewöhnliche Belastung

Die bekannteste Steuererleichterung ist der Pauschalbetrag für behinderte Menschen. Mit dem Pauschalbetrag sollen alle krankheitsbedingte Kosten im Rahmen der Einkommen- und Lohnsteuer berücksichtigt werden. Manchmal können jedoch in einem Steuerjahr sehr hohe Kosten entstehen. Diese sind nicht mehr mit dem Pauschalbetrag abgegolten. Beispiele dafür sind ein behindertengerechter Umbau der Wohnung oder eine Autoumrüstung. In diesen Fällen lohnt sich eher der Weg, die behinderungsbedingten Kosten als außergewöhnliche Belastung abzusetzen.

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Außergewöhnliche Belastung: Ein Umbau muss aufgrund der Schwere der Behinderung zwangsläufig notwendig sein, damit er als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden kann.

Eine Orientierung, in welchem Fall die Kosten für einen behindertengerechten Wohnraumumbau absetzbar sind, geben zwei Urteile des höchsten Finanzgerichtes, des Bundesfinanzhofs (BFH). Der BFH stellte in zwei wichtigen Urteilen fest, dass behinderungsbedingte Umbaukosten außergewöhnliche Belastungen sind, wenn sie aufgrund der Schwere der Behinderung zwangsläufig notwendig sind. Die entstandenen behinderungsbedingten Kosten müssen immer belegt werden.

BFH, Urteil v. 22.10.2009, VI R 7/09, BStBl II 2010, 280

In diesem Urteil beschäftigte sich der BFH mit der Höhe der als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Kosten beim Umbau eines Hauses. Der Kläger erlitt einen schweren Schlaganfall, der längere Rehabilitations- und Kurmaßnahmen zur Folge hatte. Es lag ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G, aG, H und RF vor. Aufgrund der schweren Behinderung sah das Gericht, dass der Kläger den Umbau zwangsläufig benötigte und diese „unausweichlich“ waren, damit er in seinem Haus weiterhin mobil sein und dort leben konnte. Dies ist entscheidend, um Umbaukosten in annähernd voller Höhe steuerlich abzusetzen.

Bei den Umbauten handelte es sich um den Bau einer Rollstuhlrampe, die Einrichtung eines behindertengerechten Bades in einem Teil der bisherigen Küche, die Errichtung einer neuen Küche im verbliebenen Teil des früheren Küchenraumes sowie im Hauswirtschaftsraum und Umwandlung des Arbeitszimmers in einen Schlafraum. Die Kosten umfassten 139.715 DM.

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BFH, Urteil vom 24.02.2011 – VI R 16/10

Ein späteres Urteil befasste sich mit der steuerlichen Anerkennung umfassender behinderungsbedingter Modernisierungs- und Umbaukosten für ein Haus mit einem abgeschlossenen Wohnbereich für ein Familienmitglied mit einem GdB von 100. Beim Hausumbau vermischten sich Modernisierungskosten mit behinderungsbedingten Umbaukosten. In der Einkommensteuererklärung machten die Kläger außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 29.580 EUR geltend, die zum größten Teil auf die Umbaukosten für den von der Tochter genutzten Wohnraum entfielen. Der Bundesfinanzhof beurteilte diese Umbaukosten als rechtmäßige außergewöhnliche Belastungen und stütze sich auf das oben genannte Urteil vom 22.10.2009. Siehe dazu auch diesen Kommentar von haufe.de


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Nachweis der Zwangsläufigkeit des behindertengerechten Umbaus

Das Bayerische Finanzministerium empfiehlt in seiner Broschüre „Steuertipps für Menschen mit Behinderung“ einen Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen vorzulegen. Dem Finanzamt sollte demnach entweder

  • ein Bescheid eines Sozialleistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers über die Bewilligung eines pflege- oder behinderungsbedingten Zuschusses vorgelegt werden. Das könnte z.B. die Bewilligung wohnumfeldverbessernder Maßnahmen durch die Pflegeversicherung sein.
  • Oder es sollte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MdK oder Medicproof)  mit der Empfehlung eines behindertengerechten Umbaus vorgelegt werden.

Von den außergewöhnlichen Belastungen wird noch eine sogenannte „zumutbare Belastung“ abgezogen, die sich nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte und dem Familienstand richtet. Damit soll die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mit berücksichtigt werden. Siehe https://www.steuertipps.de/lexikon/z/zumutbare-belastung

Über Jochen Radau

Studium der Sozialpädagogik in Würzburg und Studium der Medizintechnik in Ulm, seit 20 Jahren psychosozialer Berater bei der DMSG im Landesverband Bayern, dort auch Onlineberater. Betreiber und Redakteur dieses und weiterer Blogs zu den Themen Schwerbehinderung und Pflegeversicherung. Weiterqualifikationen in systemischer Beratung und vielen Themen des Sozialrechts.