Skulptur Kopf einer Frau

Pflegegrade: NBA-Begutachtung, Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

Seit existieren anstelle der Pflegestufen fünf Pflegegrade.  Dieser Beitrag befasst sich mit der Erfassung von Verhaltensweisen und psychischer Problemlagen (Modul 3) bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit, welche ab 2017 ein Teil des Neuen Begutachtungsaccessments (NBA) der Pflegeversicherung sind. Bei diesem Modul fällt auf, dass hier sehr schwere psychische Auffälligkeiten eine Gewichtung in der Pflegebedürftigkeit finden, wie sie bei Demenzerkrankungen oder psychischen Störungen auftreten können.

Im vorherigen Beitrag Pflegegrade: NBA-Begutachtung, Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten haben wir beschrieben, wie ab 2017 das zweite Modul aufgebaut ist. Das zweite und das hier beschriebene dritte Modul werden in der Einschätzung der Pflegebedürftigkeit gemeinsam ausgewertet und tragen zusammen mit einem Anteil von 15 % zum Gesamtergebnis bei. Siehe dazu den Beitrag Pflegegrade: NBA-Begutachtung 2017

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Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

Die einzelnen Verhaltensweisen werden in der Begutachtung nach der Häufigkeit in vier Stufen abgefragt: ob sie nie, selten, häufig oder täglich auftreten.

0
nie
1
selten, d.  h. maximal zweimal wöchentlich
2
häufig, d.  h. zweimal oder mehrmals wöchentlich, aber nicht täglich
3
täglich

Die Bewertung der Verhaltensweisen schlägt sich mit der Verteilung der Punkte wie in der Tabelle unten aufgezeigt nieder. Relevant für die Punktevergabe ist, wie häufig die Verhaltensweisen auftreten und damit ein Hilfebedarf durch eine Person notwendig ist.

3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen tritt niemals auf selten, d.  h. maximal zweimal wöchentlich häufig, d.  h. zweimal oder mehrmals wöchentlich, aber nicht täglich täglich
3.1 Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten 0 1 3 5
3.2 Nächtliche Unruhe 0 1 3 5
3.3 Selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten 0 1 3 5
3.4 Beschädigung von Gegenständen 0 1 3 5
3.5 Physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen 0 1 3 5
3.6 Verbale Aggression 0 1 2 3
3.7 Andere vokale Auffälligkeiten 0 1 3 5
3.8 Abwehr pflegerischer oder anderer unterstützender Maßnahmen 0 1 3 5
3.9 Wahnvorstellungen, Sinnestäuschungen 0 1 3 5
3.10 Ängste 0 1 3 5
3.11 Antriebslosigkeit, depressive Stimmungslage 0 1 3 5
3.12 Sozial inadäquate Verhaltensweisen 0 1 3 5
3.13 Sonstige inadäquate Verhaltensweisen 0 1 3 5

3.1 Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten

Hier wird die Häufigkeit verschiedener motorischer Verhaltensweisen zusammengefasst. Insbesondere wären das:

  • (scheinbar) ziellose Umhergehen in der Wohnung oder der Einrichtung
  • bei Kindern das selbstgefährdende Klettern auf Möbelstücke
  • der Versuch desorientierter Personen ohne Begleitung die Wohnung/Einrichtung zu verlassen oder Orte aufzusuchen, die für diese Person unzugänglich sein sollten (z.  B. Treppenhaus, Zimmer anderer Bewohner etc.).
  • allgemeine Rastlosigkeit in Form von ständigem Aufstehen und Hinsetzen oder Hin- und Herrutschen auf dem Sitzplatz oder im und aus dem Bett.

Für die Einschätzung ist es ohne Bedeutung, ob sich die betreffende Person ggf. nur mit Hilfsmitteln fortbewegen kann. Das Fahren mit einem Rollstuhl ist insofern mit dem Gehen gleichzusetzen.

3.2 Nächtliche Unruhe

Mit nächtlicher Unruhe sind nächtliches Umherirren oder nächtliche Unruhephasen bis hin zur Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus gemeint. Das bedeutet im Extremfall Wachsein in der Nacht und Schlafen während des Tages. Schlafstörungen wie Einschlafschwierigkeiten am Abend oder Wachphasen während der Nacht sind nicht damit gemeint.


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Bei Kindern sind Einschlafrituale oder das bis ins Schulalter vorkommendes nächtliche Aufwachen nicht zu berücksichtigen, wenn nur kurzes Beruhigen und/oder Gabe von Getränken erforderlich ist.

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3.3 Selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten

Insbesondere sind damit folgende Verhaltensweisen gemeint:

  • Selbstverletzung durch Gegenstände
  • sich absichtlich auf den Boden fallen lassen
  • essen oder trinken ungenießbarer Substanzen
  • sich selbst schlagen
  • sich selbst mit den Fingernägeln oder Zähnen verletzen.

3.4 Beschädigung von Gegenständen

Dieser Punkt betrifft aggressive, auf Gegenstände gerichtete Handlungen:

  • Gegenstände wegstoßen oder wegschieben
  • gegen Gegenstände schlagen
  • das Zerstören von Dingen (z.  B. Zerreißen)
  • das Treten nach Gegenständen.

3.5 Physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen

Aggressive Handlungen gegen Personen wären:

  • nach Personen schlagen oder treten
  • andere mit Zähnen oder Fingernägeln verletzen
  • andere stoßen oder wegdrängen
  • Verletzungsversuche gegenüber anderen Personen mit Gegenständen.

3.6 Verbale Aggression

Das entspricht verbalen Beschimpfungen oder der Bedrohung anderer Personen.

3.7 Andere vokale Auffälligkeiten

Der Punkt betrifft auffällige verbale Verhaltensweisen:

  • Lautes Rufen, Schreien, Klagen ohne nachvollziehbaren Grund
  • vor sich hin schimpfen/fluchen, seltsame Laute von sich geben
  • ständiges Wiederholen von Sätzen/Fragen.
  • Dazu gehört bei Säuglingen und Kleinkindern z.  B. anhaltendes Schreien oder cerebrales Schreien.

3.8 Abwehr pflegerischer oder anderer unterstützender Maßnahmen

  • Abwehr von Unterstützung (z.  B. bei der Körperpflege)
  • Verweigerung der Nahrungsaufnahme, Medikamenteneinnahme oder anderer notwendiger Verrichtungen
  • Manipulation an Vorrichtungen wie z.  B. Katheter, Infusion, Sondenernährung etc.

3.9 Wahnvorstellungen, Sinnestäuschungen

  • Visuelle, akustische oder andere Halluzinationen
  • Vorstellung, mit Verstorbenen oder imaginären Personen (z.  B. Gestalten aus biblischen Geschichten) in Kontakt zu stehen
  • Vorstellung, verfolgt/bedroht/bestohlen zu werden, usw.

3.10 Ängste

  • Äußerung von starken Ängsten oder Sorgen
  • Erleben von Angstattacken
  • erhöhte Ängstlichkeit bei der Durchführung von Pflegemaßnahmen oder im Kontakt mit anderen Personen.

3.11 Antriebslosigkeit, depressive Stimmungslage

  • Die Person scheint kaum Interesse an der Umgebung aufzubringen
  • Sie/Er bringt kaum Eigeninitiative für Aktivitäten oder Kommunikation auf und benötigt Aufforderungen, um etwas zu tun
  • Sie/Er wirkt traurig und/oder apathisch, möchte am liebsten das Bett nicht verlassen.

3.12 Sozial inadäquate Verhaltensweisen

Damit sind nicht angemessene Verhaltensweisen gegenüber anderen Personen gemeint, wie

  • Distanzloses Verhalten
  • auffälliges Einfordern von Aufmerksamkeit
  • sich zu unpassenden Gelegenheiten auskleiden
  • unangemessenes Greifen nach Personen
  • unangemessene körperliche oder verbale sexuelle Annäherungsversuche.

3.13 Sonstige inadäquate Handlungen

  •  Nesteln an der Kleidung
  • ständiges Wiederholen der gleichen Handlung (Stereotypien)
  • planlose Aktivitäten
  • Verstecken oder Horten von Gegenständen
  • Kotschmieren, Urinieren in die Wohnung.

Quelle: Das neue Begutachtungsinstrument zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit, GKV-Schriftenreihe

Über Jochen Radau

Studium der Sozialpädagogik in Würzburg und Studium der Medizintechnik in Ulm, seit 20 Jahren psychosozialer Berater bei der DMSG im Landesverband Bayern, dort auch Onlineberater. Betreiber und Redakteur dieses und weiterer Blogs zu den Themen Schwerbehinderung und Pflegeversicherung. Weiterqualifikationen in systemischer Beratung und vielen Themen des Sozialrechts.