Fernbedienung.

Pflegegrade: NBA-Begutachtung Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Seit 2017 wurden die drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt.  Dieser sechste Beitrag der Serie Pflegegrade: NBA-Begutachtung befasst sich mit der Einschätzung inwieweit eine selbstständige Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte möglich ist. Erstmals wird somit der Hilfebedarf bei der Planung des alltäglichen Tagesablaufs, aber auch die Ausübung von Hobbys und die Pflege von sozialen Kontakten in der Pflegebegutachtung erfragt. Dies ist ein ganz neuer Gesichtspunkt bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem Neuen Begutachtungsaccessment (NBA).

Dabei wird die Art und Menge der Hilfestellungen durch die Pflegeperson in sechs Bereiche des Alltagslebens genauer erfragt. Diese sind die Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, sich beschäftigen, in die Zukunft gerichtete Planungen vornehmen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt und die Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.


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Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Mit diesem Teil der Pflege-Begutachtung soll erfasst werden, in welchem Umfang der alltäglich Tagesablauf selbstständig geplant und gestaltet werden kann. Auch die Gestaltung  sozialer Kontakte und Aktivitäten wird betrachtet.

Der Bereich Alltagsleben und Gestaltung sozialer Kontakte fließt mit einem Anteil von maximal 15%  in die gesamte Bewertung und damit die Einstufung in die Pflegegrade ein.

Zu bewerten ist, ob die betroffene Person die jeweilige Aktivität selbstständig durchführen kann. Entsprechend dem Grad der Selbstständigkeit werden für die einzelnen Handlungen Punkte von 0 bis 3 vergeben. Der Zeitaufwand für die einzelnen Handlungen bleibt unberücksichtigt, dagegen wird das Ausmaß an Selbstständigkeit bzw. an notwendiger personeller Hilfe erfragt.

Punkte abhängig vom Grad der Selbstständigkeit

6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte vorhanden größtenteils vorhanden in geringem Maße vorhanden nicht vorhanden
6.1.Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen
0 1 2 3
6.2 Ruhen und Schlafen
0 1 2 3
6.3 Sich beschäftigen
0 1 2 3
6.4 In die Zukunft gerichtete Planungen vornehmen
0 1 2 3
6.5 Interaktion mit Personen im direkten Kontakt
0 1 2 3
6.6 Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds
0 1 2 3

6.1 Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen

Dieser Punkt betrifft die planerischen Fähigkeiten, die zur Gestaltung des Tagesablaufs notwendig sind. Ebenso sollte auf eine gewisse Flexibilität eingegangen werden, wenn der Tagesplan nicht aufgeht. Beispiele für eine Planung von Aktivitäten des Alltags betreffen z.B., den Zeitpunkt, wann gebadet, gegessen, ferngesehen oder spazierengegangen wird. Der Gutachter könnte für seine Einschätzung beispielsweise den bisherigen oder künftigen Tagesablauf erfragen.

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selbstständig
Die Person kann die Aktivität ohne personelle Hilfe planen und nach der Planung umsetzen.
überwiegend selbstständig
Routinierte Abläufe können weitgehend selbstständig gestaltet werden. Bei Änderungen ist Unterstützung notwendig. Zu einzelnen Terminen werden Erinnerungshilfen gegeben. Auch Einschränkungen in der Kommunikationsfähigkeit oder den Sinneswahrnehmungen, die einen Hilfebedarf für die Abstimmung des Tagesablaufs mit anderen Menschen führen zu einer Einschätzung in „überwiegend selbstständig“.
überwiegend unselbstständig
Die Person benötigt Hilfe bei der Planung von Routine-Tagesabläufen. Sie ist aber in der Lage Zustimmung oder Ablehnung dazu zu signailisieren. Eigene Planungen werden häufig vergessen, so dass über den ganzen Tag hinweig Erinnerungen bzw. Aufforderungen notwendig sind. Auch Personen, die zwar selbst planen und entscheiden können, aber Hilfe zur gesamten Umsetzung benötigen, werden als „überwiegend unselbstständig“ eingeschätzt.
unselbstständig
Die Person kann nur minimal oder nicht an der Tagesstruktur mitwirken oder sich an vorgegebenen Strukturen minimal oder nicht orientieren.

 

6.2 Ruhen und Schlafen

Neben dem Tag-Nacht-Rhythmus betrifft das auch ausreichende Ruhe- und Schlafphasen. Hierzu gehört die Fähigkeit, notwendige Ruhepausen zu erkennen und einzuhalten und mit Phasen der Schlaflosogkeit umzugehen. Ebenso gehören hierzu körperliche Fähigkeiten, um in das Bett zu kommen und die Ruhephasen besonders nachts einhalten zu können.

selbstständig
Die Person kann die Ruhe- und Schlafphasen wie oben beschrieben ohne personelle Hilfe umsetzen.
überwiegend selbstständig
Beim Aufstehen oder Zu-Bett-Gehen wird Hilfe benötigt. Das können Transferhilfen, Abdunkeln oder auch zeitliche Orientierungshilfen beim Wecken oder Aufforderungen zum Schlafen-Gehen betreffen. Nur gelegentlich ist nachts Hilfe notwendig.
überwiegend unselbstständig
Es treten Einschlafprobleme oder nächtliche Unruhe auf. Regelmässige Einschlafrituale und nächtliche beruhigende Ansprache sind notwendig. Auch wenn wegen körperlicher Beeinträchtigungen nachts Hilfe für Lagewechsel oder Toilettengänge notwendig ist, trifft die Einschätzung als „überwiegend unselbstständig“ zu.
unselbstständig
Der Schlaf-Wachrhytmus ist gestört bei

  • gerontopsychiatrisch erkrankten Menschen (Demenz)
  • oder Wachkoma-Patienten
  • oder bei regelmässig mindestens dreimal notwendigem Hilfebedarf in der Nacht.

6.3 Sich beschäftigen

Das betrifft die Fähigkeit eigene Vorlieben und Interessen zu verfolgen. Bei der Begutachtung wird hier gefragt, wie nach den individuellen Sinnes-Fähigkeiten geeignete Aktivitäten und Freizeitbeschäftigungen, wie z.B. basteln, fernsehen, lesen oder Computernutzung ausgewählt und umgesetzt werden.

selbstständig
Die Person kann die Aktivität ohne personelle Hilfe durchführen.
überwiegend selbstständig
Hilfe ist nur in geringem Umfang nötig, z.B.:

  • Fernbedienung oder Bastelmaterial muss zurechtgelegt werden
  • Erinnerung, Motivation oder Hilfe bei der Entscheidungsfindung ist erforderlich.
überwiegend unselbstständig
Eine Beteiligung an Beschäftigungen ist möglich, aber nur mit kontinuierlicher Hilfe (Anleitung, Begleitung oder praktische Unterstützung).
unselbstständig
Die Person kann nur minimal oder nicht an angebotenen Beschäftigungen mitwirken. Sie zeigt keine Eigeninitiative, kann Anleitungen und Aufforderungen nicht kognitiv umsetzen.

 

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6.4 Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen

Unter diesem Punkt wird erfragt, inwieweit längere Zeitabschnitte über den Tag hinaus vorausschauend geplant werden können, wie z.B.:

  • Geburtstag
  • Jahresfeste
  • regelmäßige Termine

Weiterhin wird berücksichtigt, ob die körperlichen und psychischen Voraussetzungen vorliegen, um eigene Zukunftsplanungen mit anderen Menschen kommunizieren zu können.

selbstständig
Die Person kann die Aktivität ohne personelle Hilfe durchführen.
überwiegend selbstständig Die Person nimmt sich etwas vor und benötigt aber eine Erinnerung, um dies durchzuführen. Oder es ist aufgrund körperlicher Behinderungen regelmäßig Hilfe in der Kommunikation notwendig, um sich verabreden zu können.
überwiegend unselbstständig
Die Person plant von sich aus nicht, entscheidet aber mit Hilfe anderer Personen. Sie benötigt Erinnerungen an die Umsetzung eigener Entscheidungen oder benötigt emotionale oder körperliche Unterstützung. Auch Menschen, die zwar kognitiv selbstständig planen und entscheiden können, aber aufgrund starker körperlicher Einschränkungen Hilfe benötigen sind hier als „überwiegend unselbstständig“ einzuordnen.
unselbstständig
Die Person ist nicht in der Lage über den Tag hinaus zu planen. Auch bei Vorschlägen oder wenn mehrere Möglichkeiten zur Auswahl gegeben werden, wird weder Zustimmung noch Ablehnung signalisiert.

 

6.5 Interaktionen mit Menschen (Personen) im direkten Kontakt

Hier geht es um die Fähigkeiten, wie die befragte Person im direkten Kontakt mit Angehörigen, Pflegepersonen, Mitbewohnern oder Besuchern umgeht.

selbstständig
Die Person kann die Aktivität ohne personelle Hilfe durchführen.
überwiegend selbstständig Der Umgang mit bekannten Personen geschieht selbstständig, zur Kontaktaufnahme mit Fremden ist Unterstützung notwendig, zB.

  • Anregung mit jemandem Kontakt aufzunehmen oder
  • punktuelle Unterstützung bei Überwindung von Sprech-, Sprach oder Hörproblemen
überwiegend unselbstständig
Es wird kaum Initiative von sich aus ergriffen. Es ist Unterstützung durch Ansprache und Motivation notwendig. Die Kommunikationsfähigkeit ist verbal oder mittels Blickkontakt, Mimik, Gestik erhalten.

Als „überwiegend unselbstständig“ gilt auch jemand, der auf weitgehende Hilfestellungen bei der Überwindung von Sprech-, Sprach oder Hörproblemen angewiesen ist.

unselbstständig
Die Person reagiert nicht auf Ansprache und auch nonverbale Kontaktversuche führen zu keiner nennenswerten Reaktion.

 

6.6 Kontaktpflege zu Menschen (Personen) außerhalb des direkten Umfelds

Hier geht es darum, wie bestehende Kontakte zu Freunden, Bekannten, Nachbarn aufrechterhalten werden, beendet oder zeitweise abgelehnt werden.

Dazu gehört auch die Fähigkeit mit technischen Kommunikationsmitteln, wie dem Telefon umzugehen, um z.B. Besuche zu verabreden, aber auch Brief- oder E-Mail-Kontakte.

selbstständig
Die Person kann die Aktivität ohne personelle Hilfe durchführen.
überwiegend selbstständig Die Person kann planen, benötigt aber Hilfe z.B.

  • Erinnerungszettel bereitlegen
  • Telefonnummern mit Namen oder Bild versehen
  • Erinnern und Nachfragen, ob der Kontakt hergestellt wurde
  • Erinnern an Terminabsprachen
  • das Telefonieren geschieht selbstständig, aber das Wählen der Nummer geschieht durch die Pflegeperson
  • die Pflegeperson wird beauftragt ein Treffen oder einen Termin zu vereinbaren
überwiegend unselbstständig
Die Kontaktgestaltung geschieht einseitig. Die Person sucht kaum Kontakt, wirkt aber mit, wenn jemand anderes die Initiative ergreift.

Als „überwiegend unselbstständig“ gilt auch jemand, der auf aufgrund körperlicher Einschränkungen während der Kontaktaufnahme Hilfestellungen bei der Überwindung von Sprech-, Sprach oder Hörproblemen benötigt. Oder, wenn Hilfe bei der Nutzung von Kommunikationshilfen nötig ist, beispielsweise das Telefon gehalten werden muß

unselbstständig
Die Person reagiert nicht auf Anregungen zur Kontaktaufnahme und nimmt selbst keinen Kontakt außerhalb des direkten Umfeldes auf.

Quelle: Das neue Begutachtungsinstrument zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit, GKV-Schriftenreihe

Über Jochen Radau

Studium der Sozialpädagogik in Würzburg und Studium der Medizintechnik in Ulm, seit 20 Jahren psychosozialer Berater bei der DMSG im Landesverband Bayern, dort auch Onlineberater. Betreiber und Redakteur dieses und weiterer Blogs zu den Themen Schwerbehinderung und Pflegeversicherung. Weiterqualifikationen in systemischer Beratung und vielen Themen des Sozialrechts.