Pflegegrade: NBA-Begutachtung, Modul 1: Mobilität

Die Pflegeversicherung hat 2017 die Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt.  Die Pflegebedürftigkeit wird seitdem anhand der Selbstständigkeit und Fähigkeiten aus sechs Lebensbereichen, sogenannten Modulen eingeschätzt. Das erste Modul „Mobilität“ fließt bei der Begutachtung nach dem Neuen Begutachtungsaccessment mit bis zu 10 von 100 möglichen Punkten in die Bestimmung des Pflegegrades ein. Was bei dem System der Pflegestufen unter dem Punkt Mobilität mit der Grundpflege verwurschtelt wurde ist jetzt in der NBA-Begutachtung auf sechs klare Punkte reduziert.


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Zur Orientierung im neuen Begutachtungssystem verweise ich auf den Beitrag Pflegegrade: NBA-Begutachtung

Der Bereich Mobilität fließt mit einem Anteil von maximal 10%  in die gesamte Bewertung der Selbstständigkeit und damit die Einstufung in die Pflegegrade ein.

Anstelle einer ausführlichen Aufzählung aller alltäglichen Bewegungungsabläufe werden fünf Handlungen abgefragt, denen für die Selbstständigkeit im Bereich Moblität entscheidende Bedeutung zukommt.

Entsprechend dem Grad der Selbstständigkeit werden für die einzelnen Handlungen Punkte von 0 bis 3 vergeben. Der Zeitaufwand für die einzelnen Handlungen bleibt unberücksichtigt, dagegen wird das Ausmaß an Selbstständigkeit bzw. an notwendiger personeller Hilfe erfragt.

Eine Besonderheit gibt es, wenn im Rahmen der Mobilität eine sogenannte besondere Bedarfskonstellation mit vollständigem Verlust der Greif-, Steh- und Gehfunktionen vorliegt. Dann ist eine Einstufung in Pflegegrad 5 vorzunehmen.

Moblilität: Punkte abhängig vom Grad der Selbstständigkeit
1. Mobilität selbstständig überwiegend selbstständig überwiegend unselbstständig unselbstständig
1.1.Positionswechsel im Bett 0 1 2 3
1.2 Stabile Sitzposition halten 0 1 2 3
1.3 Aufstehen aus sitzender Position 0 1 2 3
1.4 Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs 0 1 2 3
1.5 Treppensteigen 0 1 2 3

 

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Was bedeuten die Zuordungen selbstständig, überwiegend selbstständig, überwiegend unselbsständig, unselbstständig?

selbstständig
Die Person kann die Aktivität selbstständig durchführen.
überwiegend selbstständig
Die Person kann den größten Teil der Aktivität selbstständig durchführen.
überwiegend unselbstständig
Die Person kann die Aktivität nur zu einem geringen Teil selbstständig durchführen.
unselbstständig
Die Person kann die Aktivität nicht selbstständig durchführen.

Bezogen auf die einzelnen Handlungen bedeutet das

1.1.Positionswechsel im Bett

Das betrifft das Einnehmen von verschiedenen Positionen im Bett, das Drehen um die Längsachse und das Aufrichten aus dem Liegen.

selbstständig
Die Person kann die Lage im Bett unter Nutzung von Hilfsmitteln oder Festhalten allein verändern.
überwiegend selbstständig
Die Person kann nach Anreichen eines Hilfsmittels oder fder Hand die Lage verändern. Bei einem Kind entspräche das der Fähigkeit den Kopf zu heben und sich auf die Arme abzustützen.
überwiegend unselbstständig
Die Person kann beim Positionswechsel nur wenig mithelfen, z.B. auf den Rücken rollen, am Bettgestell festhalten, Aufforderungen folgen. Bei einem Kind entspräche das der Fähigkeit den Kopf kurz von der Unterlage abzuheben.
unselbstständig
Die Person ist auch hierzu nicht in der Lage.

 

1.2. Stabile Sitzposition halten

Einzuschätzen ist, wie man sich auf einem Bett, Stuhl oder Sessel aufrecht halten kann.

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selbstständig
Die Person kann die aufrechte Sitzposition selbstständig halten. Beim Sitzen muß sie eventuell gelegentlich die Sitzposition korrigieren.
überwiegend selbstständig
Die Persone kann sich nur kurz, z.B. für die Dauer einer Mahlzeit selbstständig in der Sitzposition halten. Für längeres Sitzen benötigt sie Hilfe oder eine Seitenstütze bzw. einen Sessel mit Armlehne. Die Rumpfkontrolle ist eingeschränkt möglich.
überwiegend unselbstständig
Die Person kann sich wegen eingeschränkter Rumpfkontrolle auch mit Rücken- und Seitenstützen nicht in aufrechter Position halten. Auch für die Dauer einer Mahlzeit ist personelle Hilfe zur Positionskorrektur notwenidg.
unselbstständig
Die Person kann sich auch mit Lagerungshilfsmitteln nicht aufrecht halten und kann nur liegend gelagert werden.

 

1.3 Aufstehen und Umsetzen aus sitzender Position

Das betrifft das Aufstehen und Umsetzen von einer erhöhten Sitzfläche, Bettkante, Stuhl, Sessel, Bank, Toilette usw.

selbstständig
Die Person kann sich ohne Hilfsmittel oder mit Hilfsmitteln bzw. Festhalten an Gegenständen umsetzen.
überwiegend selbstständig
Die Person kann nur mit Hilfe einer Hand oder Arm aufstehen oder sich umsetzen.
überwiegend unselbstständig
Die Person kann nur mit erheblicher Hilfe bzw. Kraftaufwand der Pflegeperson  aufstehen oder sich umsetzen. Die Pflegeperson zieht, hält, stützt oder hebt.
unselbstständig
Die Person muß gehoben oder getragen werden, ihr ist keine Mithilfe möglich.

 

1.4 Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs

Als Anhaltspunkte für hier übliche Gehstrecken werden mindestens acht Meter festgelegt.

selbstständig
Die Person kann sich innerhalb einer Wohnung oder Einrichtung zwischen den Zimmern über mindestens 8 Meter sicher bewegen. Hilfsmittel, wie z.B. Möbelstücke, Gehstock, Rollator oder Rollstuhl können dazu selbstständig genutzt werden.
überwiegend selbstständig
Die Person benötigt personelle Hilfe, um sich fortzubewegen. Hilfsmittel müssen von der Pflegeperson bereitgestellt werden. Oder Beobachtung aus Sicherheitsgründen oder gelegentliches Stützen ist notwendig.
überwiegend unselbstständig
Die Person kann sich nur mit Stützung oder Festhalten ander Pflegeperson fortbewegen. Oder sie kann nur wenige Meter mit dem Rollstuhl oder nur wenige Schritte gehen.

Auch ausschließliches Krabbeln oder Robben ist als „überwiegend selbstständig“ einzuschätzen.

unselbstständig
Die Person muss getragen oder im Rollstuhl geschoben werden.

 

1.5 Treppensteigen

Hier wird die Selbstständigkeit am Beispiel einer Treppe über zwei Etagen eingeschätzt.

selbstständig
Die Person kann die Treppe alleine ohne Begleitung steigen.
überwiegend selbstständig
Die Person kann die Treppe alleine steigen, benötigt aber Begleitung wegen des Sturzrisikos.
überwiegend unselbstständig
Die Person kann nur mit Stützen oder Festhalten an der Pflegeperson die Treppe steigen.
unselbstständig
Die Person muss getragen oder mit Hilfsmitteln transportiert werden, es ist ihr keine Hilfe möglich.

 

1.6 Besondere Bedarfskonstellation: vollständiger Verlust der Greif-, Steh- und Gehfunktionen

Mit der besonderen Bedarfskostellation hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit geschaffen, wie Menschen mit besonders hohem Hilfebedarf ein Zugang zum Pflegegrad 5 möglich ist. Das trifft zu, wenn der der Gebrauch beider Arme und beider Beine nicht möglich ist, z.B. bei

  • Lähmungen
  • hochgradige Versteifungen, Kontrakturen
  • hochgradigem Tremor und Rigor oder Athetose
  • Wachkoma
  • minimaler Restbeweglichkeit oder unkontrollierbare Greifreflexe

Liegt eine besonderen Bedarfskostellation vor, ist es unerheblich, ob die 90 Punkte für den Pflegegrad 5 erreicht werden. Siehe dazu § 15 Abs. 4 SGB XI (gültig ab ab 2017).

Über Jochen Radau

Studium der Sozialpädagogik in Würzburg und Studium der Medizintechnik in Ulm, seit 20 Jahren psychosozialer Berater bei der DMSG im Landesverband Bayern, dort auch Onlineberater. Betreiber und Redakteur dieses und weiterer Blogs zu den Themen Schwerbehinderung und Pflegeversicherung. Weiterqualifikationen in systemischer Beratung und vielen Themen des Sozialrechts.