Behindertengerechter Autoumbau – Was tun, wenn das Autofahren aufgrund der Einschränkungen zur Herausforderung wird?

Wer sich aktiv im Straßenverkehr bewegen darf ist in Deutschland in der Fahrerlaubnis-Verordnung §2 geregelt. Dort steht, dass Menschen, die wegen körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen in der Verkehrssicherheit eingeschränkt sind, selbst Vorsorge treffen müssen, dass andere nicht gefährdet werden.

Eine Möglichkeit der Vorsorge sind technische Einrichtungen, also behindertengerechte Umbauten am Auto. Doch wer bestimmt, welcher Umbau sinnvoll und notwendig für die eigenen Bedürfnisse ist?

Da gibt es zwei Möglichkeiten:

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  1. Die Führerscheinstelle ordnet ein verkehrsmedizinisches Gutachten an, welches innerhalb einer Frist der Führerscheinstelle vorgelegt werden muss.

Das passiert, wenn der Führerscheinstelle Informationen über mögliche Einschränkungen bezüglich des Autofahrens zu Ohren gekommen sind. Das kann passieren, weil man selbst bei der Führerscheinstelle aufgefallen ist oder wenn die Polizei, Nachbarn oder sonstige Personen dort eine Meldung gemacht haben.

Für ein verkehrsmedizinisches Gutachten ordnet die Führerscheinstelle normalerweise an, dass dieses bei einem Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation gemacht werden muss. Das darf nicht gleichzeitig der eigene behandelnde Arzt sein. Bezahlen muss das Gutachten der bzw. die Führerscheininhaber/in selbst.

Im verkehrsmedizinischen Gutachten wird aufgeführt, welche Diagnose besteht und wie die Prognose über das künftige Leistungsvermögen im Straßenverkehr ist. Das Gutachten enthält deshalb Einschätzungen, ob beim Autofahren ein stabiles Leistungsniveau gehalten werden kann und ob in Belastungssituationen angemessen regiert werden kann. Es wird auch eingeschätzt, ob während der Fahrt plötzlich erkrankungsbedingt Gefahrensituationen eintreten können, die z.B. durch epileptische Anfälle hervorgerufen werden. Auch die Einsichtsfähigkeit und Persönlichkeitsmängel können im Gutachten bezüglich der Fahreignung herangezogen werden.

Stellt der Gutachter eine bedingte Eignung fest, dann werden für das Autofahren bestimmte Beschränkungen und Auflagen festgelegt. Das kann dann z.B. eine Fahrprobe bei einer spezialisierten Fahrschule, die Festlegung nur noch ein Auto mit Automatik zu fahren oder der behindertengerechte Autoumbau sein.

Ein verkehrsmedizinisches Gutachten muss dann alle paar Jahre neu beauftragt und bei der Führerscheinstelle vorgelegt werden. Die längste Frist dafür sind Abstände von fünf Jahren. Die Führerscheinstelle trägt dann die Auflagen und Beschränkungen in den Führerschein ein. Quelle: Fahrerlaubnis Verordnung §11

  1. Die andere Möglichkeit ist, dass man als gehandicapter Autofahrer selbst aktiv wird.

Ist die Führerscheinstelle bisher nicht aktiv, so wird empfohlen, selbst mit dem eigenen behandelnden Facharzt über das Autofahren zu sprechen. Der Facharzt kann ein ärztliches Attest schreiben, in dem die Fahreignung eingeschätzt wird und gegebenenfalls aufgrund körperlicher Einschränkungen einen bestimmten Autoumbau empfehlen. Ob der Facharzt das leisten kann, hängt sicher auch mit der Schwere der Einschränkungen und des Ausmaßes des Umbaus ab. Es macht für den Arzt bezüglich der Einschätzung der Fahreignung einen großen Unterschied, ob man noch sicher mit einem Automatikfahrzeug oder lediglich Pedalumbauten fahren kann oder ein kompletter Umbau mit elektronischer Handsteuerung und dem Fahren aus dem Rollstuhl heraus notwendig ist.

Im Zweifelsfall kann auch hier eine Fahrprobe in einer qualifizierten Fahrschule mit den angedachten Umbauten weiterhelfen. Bei der Fahrprobe kann noch weiterer Umbaubedarf festgestellt werden. Wichtig zu wissen ist, dass diese Fahrprobe nichts mit Fahrstunden oder einer Führerscheinprüfung gemeinsam hat. Auf der Seite rehadat-autoanpassung.de gibt es eine aktuelle Liste mit den Adressen der entsprechenden qualifizierten Fahrschulen .

Noch vor dem Autokauf oder Umbau rate ich die Eintragung der festgestellten Beschränkungen in den Führerschein vornehmen zu lassen. Denn die Führerscheinstelle könnte ja doch noch ein verkehrsmedizinisches Gutachten anordnen, wenn ihr das vorliegende Attest des Facharztes nicht ausreicht. Und möglicherweise kommt dieses Gutachten dann zu anderen Schlussfolgerungen bezüglich der technischen Umbauten.

Auf keinen Fall finde ich es ratsam auf Verdacht ein gebrauchtes umgebautes Auto zu kaufen oder in Auftrag zu geben, ohne dass bereits entweder ein aktuelles fachärztliches Attest oder ein verkehrsmedizinisches Gutachten vorliegt. Denn um das Fahrzeug zu führen ist die Eintragung in den Führerschein notwendig und spätestens dann würde die Führerscheinstelle das Gutachten beim Verkehrsmediziner anordnen. Und ob dann die Empfehlungen im Gutachten zum Auto passen ist mehr als fraglich.

Foto: TÜV SÜD

Über Jochen Radau

Studium der Sozialpädagogik in Würzburg und Studium der Medizintechnik in Ulm, seit 20 Jahren psychosozialer Berater bei der DMSG im Landesverband Bayern, dort auch Onlineberater. Betreiber und Redakteur dieses und weiterer Blogs zu den Themen Schwerbehinderung und Pflegeversicherung. Weiterqualifikationen in systemischer Beratung und vielen Themen des Sozialrechts.